Wann bekommt mein Tesla das neueste Software Update?

20.07.2020

Viele Tesla-Fahrer verfolgen die Kommunikation in sozialen Medien und Internet-Foren. Während sich die Einen über die Änderungen eines aktuellen Software-Updates unterhalten, stellt sich für die Anderen die Frage: Wann bekomme ich eigentlich das Update? Wurde mein Fahrzeug etwa von Tesla vergessen? Und was kann ich tun, um den Prozess zu beschleunigen? Die wichtigsten Antworten auf diese Fragen liefert dieser Artikel.

Bei den traditionellen Autoherstellern bestimmen die Ingenieure und Maschinenbauer die Entwicklung von Fahrzeugen. Autos haben einen Entwicklungszyklus von mehreren Jahren. In dieser Zeit bleiben die Karosserie und die Antriebstechnik nahezu unverändert bis zum nächsten Modellwechsel, der dann wieder eine neue Fahrzeuggeneration zum Vorschein bringt. Inzwischen definiert sich der Funktionsumfang von Fahrzeugen auch durch die eingesetzte Software. Aber auch Software-Entwicklungsprojekte dauern oft mehrere Monate. Wenn alles gut läuft, hat man am Ende das Produkt, welches man sich zu Anfang gewünscht hat. Gibt es veränderte Anforderungen, unterliegt man Fehleinschätzungen oder ändert sich der Markt durch Wettbewerb und Technologiewechsel, dann wird der Projektablauf nachhaltig gestört. Es beginnt ein umfänglicher Änderungsprozess, der den ursprünglichen Projektplan sprengt; das Projekt läuft aus dem Ruder. Was machen Software-orientierte Firmen wie Tesla heute anders?

Agile Software-Entwicklung

Bei Tesla arbeiten inzwischen die Software-Entwickler Hand-in-Hand mit den Ingenieuren. Die Software-Architektur beeinflusst maßgeblich die Gestaltung des Endprodukts.
In der modernen Software-Industrie haben sich sogenannte agile Entwicklungsmethoden etabliert, wie zum Beispiel "Scrum". Kern dieser Verfahren ist die kontinuierliche Weiterentwicklung eines Produkts in kurzen Iterationenszyklen von zwei bis vier Wochen (sogenannten "Sprints"; zu Deutsch "Spurt"). Durch die enge Taktung können Kundenanforderungen und marktgetriebene Anpassungen kurzfristig in die Planung einfließen. Die Änderungen zur vorigen Version sind vergleichsweise gering. Anstatt eines starren Entwicklungsplans nähert man sich in kleinen Schritten der gemeinsamen Vision, der Idee vom perfekten Produkt. Der gewonnenen Flexibilität folgt das Risiko, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren. Die kurzen Abstände zwischen den Updates führen zum Eindruck, der Hersteller probiere zu viel aus auf Kosten der Qualität. Oder man ist enttäuscht, weil eine lang ersehnte Verbesserung nicht geliefert wird. Dem sollte man durch eine hohe Liefertreue und einer offenen Informationspolitik entgegen wirken.

Software-Entwicklung bei Tesla

Tesla wendet als einziger Autohersteller die agilen Entwicklungsmethoden konsequent an. Durch die Software-Updates können alle Funktionen des Autos aus der Ferne aktualisiert werden: Das Entertainment-System, die Navigationsdaten, das Akku-Management, die Motor-Steuerung bis hin zum Autopiloten - das ist bisher einmalig. Tesla arbeitet mit einen Entwicklungszyklus von vier Wochen: Der Rhythmus, in dem (fast) jedes Fahrzeug von Tesla ein Software Update bekommt.

Während eine Software-Version gerade ausgerollt wird, arbeiten die Entwickler schon längst an der kommenden Generation, die vier Wochen später erscheint. Die Software-Versionen werden dabei für alle aktuellen Tesla-Modelle gemeinsam entwickelt und erhalten zur besseren Identifizierung ein einheitliches Versionsnummern-Schema.

Die Versionsnummer besteht aus folgenden Komponenten, die durch Punkte getrennt werden:

  • Die vierstellige Jahreszahl (Beispiel: 2020).
  • Die Sprint-Nummer. Diese leitet sich bei Tesla ab von der Kalenderwoche, in der der Rollout der Version beginnt (Beispiel: 24).
  • Die Unterversion (Built) ist bei Tesla eine Zahl oder eine Hierarchie von Zahlen (Beispiel: 6.9).
  • Der Git Hash ist eine hexadezimale Zeichenfolge, die von dem - in Entwicklerkreisen beliebten - Versionsverwaltungs-Tool GIT errechnet wird, wenn die Entwickler einen Entwicklungsschritt abschließen (sog. Commit). Dieser Wert kennzeichnet ein Software-Paket eindeutig und schützt vor einer Kompromittierung durch Hacker (Beispiel: 9a5f3cf2682).

Zur Verprobung einer neuen Software nutzt Tesla die vielen hunderttausend Fahrzeuge im Feld. Zu Beginn des Rollouts werden gleich mehrere Unterversionen (sog. Builts) bereit gestellt, die sich in einzelnen Aspekten unterscheiden können:

  • Unterversionen werden eingesetzt, um Varianten einer Funktion im Feld vergleichen zu können.
  • Manche Unterversionen gehen auf spezielle Funktionen von einzelnen Fahrzeugtypen ein wie die Modelle S & X und die Modelle 3 & Y.
  • Es gibt auch manchmal getrennte Builts für Fahrzeuge mit unterschiedlicher Hardware-Vorraussetzung. Dazu zählen die Generationen der MCU (Media Control Unit: Der Computer hinter dem großen Bildschirm), oder die Varianten der Autopilot-Hardware.
  • Regelmäßig unterscheidet Tesla auch Builts für verschiedene Regionen (z.B. USA, Canada, Europa, China), um auf verkehrsrechtliche oder regulatorische Unterschiede einzugehen.

In der Regel werden mehrere Unterversionen übrigens am Ende wieder zu wenigen finalen Builts zusammengefasst, bevor diese an die große Masse ausgerollt werden.

Wann bekomme ich denn jetzt mein Update?

Um diese Frage zu beantworten, muss man verstehen, wie der Rollout grundsätzlich vonstatten geht. Bei der Entwicklung von Software sind Fehler unvermeidbar. Gerade bei Funktionen wie dem Autopiloten treffen die Entwickler Annahmen, die sich in der Realität als nicht perfekt herausstellen. Es ist nun mal nicht möglich, jede denkbare Verkehrssituation vorherzusehen, um den Ablauf einer Prozedur perfekt darauf abzustimmen. Das Risiko ist hoch, eine Software-Version mit gefährlichen Mängeln auf die Flotte loszulassen. Deshalb erfolgt der Rollout in Stufen, vergleichbar mit dem langsamen Aufdrehen eines Wasserhahns.

  1. Entwicklungsphase: Bereits jetzt testen die Entwickler mit realen Fahrzeugen. Offensichtliche Schwächen werden sofort verarbeitet.
  2. Early-Access-Program: Nach dem Abschluss der Entwicklung werden die ersten Builts an eine kleine Gruppe von Fahrzeugen geliefert. Die Teilnehmer des sogenannten "Early-Access-Programs" wurden von Tesla ausgewählt und mit einer speziellen Vereinbarung zur Verschwiegenheit verpflichtet. In diesen frühen Builts werden neue Funktionen erstmals verprobt und es können noch Probleme auftreten. Gefundene Fehler können von den Fahrern per Knopfdruck gemeldet werden. Bei Tesla werden diese sofort analysiert, behoben und es entstehen neue Builts. Diese Phase dauert ca. 2 Wochen.
  3. Erweiterter Rollout: In den folgenden zwei Wochen werden verbesserte Software-Pakete langsam an die nächste Gruppe von Fahrzeugen ausgerollt. Tesla-Fahrer können selbst entscheiden, ob sie bereits zu dieser Zeit das Update erhalten, indem sie in den Fahrzeugeinstellungen unter "Software" die Option "Erweitert" auswählen. Feedback zur Software-Qualität gewinnt Tesla durch nächtliche Fernzugriffe auf die Fahrzeugdaten (lässt sich in den Einstellungen konfigurieren). Anhand dieser Informationen werden innerhalb weniger Stunden weitere Builts mit Verbesserungen erzeugt und ggf. verteilt. In dieser Phase kommt es vor, dass betroffene Fahrzeuge mehrere Updates innerhalb weniger Tage erhalten.
  4. Standard-Rollout: In den folgenden zwei bis vier Wochen wird der Optimierungsprozess abgeschlossen. Die bisherigen Builts einer Software-Version werden nun zu wenigen finalen Builts zusammengefasst, bevor diese dann zügig an die Masse der Fahrzeuge verteilt wird. Jetzt werden auch die Wagen aktualisiert, die unter den Software-Einstellungen den Wert "Standard" ausgewählt haben.
  5. Verzögerter Rollout: Die letze Rollout-Phase ist den Nachzüglern gewidmet. Der Großteil der Fahrzeuge ist zu diesem Zeitpunkt bereits aktualisiert bis auf solche, die z.B. keine geeignete Internet-Verbindung haben. Betroffen ist, wessen Fahrzeug nicht regelmäßig mit einem WLAN verbunden und somit auf die Mobilfunkverbindung angewiesen ist. Zu dieser Zeit läuft längst der Rollout der nächsten Version.

Unabhängig von dem Phasenmodell gibt es weitere Einflussfaktoren, die die Verteilung von Updates beeinflussen:

  • Die Zugehörigkeit zu einer der Gruppen (Early Access Program, Erweitert / Standard / Late Rollout) bedeutet nicht, dass man zu Beginn dieser Phase sofort das Update bekommt. Tesla dreht den "Wasserhahn" stets langsam auf, um die Auswirkung neuer Pakete kontrollieren zu können.
  • Mithilfe eines Risiko-minimierenden Algorithmus bestimmt Tesla für jedes Fahrzeug den genauen Zeitpunkt, ab wann ein Update angeboten wird. Wenn es soweit ist, bekommt das Fahrzeug eine Benachrichtigung über die Mobilfunkschnittstelle. Erst jetzt kann der eigentliche Download der Daten über WLAN oder das Mobilfunknetz erfolgen. Die Installation benötigt in der Regel die Freigabe durch den Benutzer.
  • Für manche Fahrzeuge überspringt der Algorithmus eine bestimmte Software-Version komplett. Diese wurden dann nicht vergessen. Diese Fahrzeuge werden für diesen Zyklus bewusst auf einer bestimmten Version belassen, um ggf. Vergleiche im Verhalten zu ermöglichen.
  • Manche Software-Builts gehen bewusst an Fahrzeuge, die aufgrund ihrer Konfiguration einzelne Funktionen des Pakets nicht unterstützen. Dadurch kann Tesla sicherstellen, dass alle Fahrzeuge mit der gleichen Software stabil betrieben werden können und bisherige Funktionen nicht beeinträchtigt werden (sogenannter Regressionstest).

Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft den Rollout der Software-Version 2020.24.x. Die Prozentwerte beschreiben den Anteil der Fahrzeuge bezogen auf die gesamte Flotte. Die Daten stammen aus einer Auswertung der Plattform TeslaFi.com. Diese erlaubt dort registrierten Tesla-Fahrern, ihre Fahrzeugdaten über die offizielle Tesla-Software-Schnittstelle auszulesen. So entsteht auf der Plattform als Nebeneffekt ein Überblick über die Verteilung der Software-Versionen. Bei TeslaFi.com nehmen zu diesem Zeitpunkt ca. 12000 Fahrzeuge teil. Insofern kann man die Informationen als einigermaßen repräsentativ einstufen.

Teilnehmer am Early Access Program liefern keine Zahlen, weil sie zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Die Veröffentlichung der Versionen 2020.24.6.1 (für USA) und 2020.24.6.3 (für Kanada) leitete den Erweiterten Rollout ein. Erste Verbesserungen sind in die Versionen 2020.24.6.4 und 2020.24.6.5 eingeflossen. Die große globale Verteilung im Standard-Rollout wurde dann durch die Version 2020.24.6.9 in der KW 29 gestartet, aber offensichtlich nur für Fahrzeuge mit Autopilot-Hardware 2 oder höher. Die Versionen 2020.24.6.10 und 2020.24.6.11 wurden stattdessen für Modelle ohne Autopilot bzw. mit Autopilot 1 angeboten. Bis zum Schluss der Periode blieben offensichtlich auch einige Fahrzeuge auf einer älteren Software, weil sie nicht erreichbar waren, weil sie nicht die nötigen Hardware-Voraussetzung erfüllt haben oder weil sie einfach auserkoren waren, diese Version zu überspringen.

Fazit

Teslas aktueller Software-Verteilungsmechanismus sieht nicht vor, dass die Fahrer beeinflussen können, wann ein Update auf dem eigenen Fahrzeug angeboten wird. Zur Reduzierung der Auswirkung von Mängeln in der Software sind zu jeder Zeit Fahrzeuge mit unterschiedlichen Software-Versionen gleichzeitig im Feld. Ich selbst habe mehrfach erlebt, dass mein Wagen bestimmte Versionen sehr früh bekommen hat, andere wiederum kamen erst spät oder gar nicht an. Somit bleibt den Tesla-Fahrern nur, geduldig zu warten, bis sie an der Reihe sind.
Für Manche ist es ein Trost und eine Freude, bei der Entstehung des innovativsten Fahrzeugkonzeptes unserer Zeit dabei zu sein. Andere kritisieren, dass die Funktionen des eigenen Autos hin und wieder durch Software-Updates durcheinander gebracht werden und man sehnt sich nach etwas mehr Stabilität. Am Ende wird das Verfahren aber zur Blaupause für andere Autohersteller. Nur so können sie dem beschleunigten Technologiewandel der Digitalisierung und den Veränderungen durch die Mobilitäts- und Energiewende folgen.


Das T&Emagazin

Der Artikel ist erschienen in der Ausgabe 8 (Oktober 2020) des T&Emagazins.
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