Einbau eines Frunklift - wie funktioniert das eigentlich?

24.11.2020

Wie es sich für ein gut ausgestattetes Elektrofahrzeug gehört, hat auch das Tesla Model S einiges an elektronischen Spezialfunktionen zu bieten. Elektrische Sitze und Fensterheber sowie ein umfangreiches Navigations- und Soundsystem sind in dieser Fahrzeugklasse selbstverständlich. Auch der Kofferraum lässt sich über verschiedene Bedienelemente öffnen, es fehlt lediglich noch eine vergleichbare Funktion für den Frunk, also den Stauraum unter der vorderen Haube. Zum Glück bieten Tesla-Partner wie die Stegmann GmbH aus Bad Dürrheim den Einbau eines Frunklift-System des Zubehörlieferers AMPTech an. In diesem Blogbeitrag beschreibe ich, wie der Frunklift in mein Tesla Model S eingebaut wird und ich erkläre, wie das eigentlich funktioniert.

Die Verkabelung in einem Auto

Der Eine oder Andere kennt noch die Autos des frühen vergangenen Jahrhunderts: Die wesentlichen elektrischen Einrichtungen, die mit einer Verkabelung untereinander verbunden werden mussten, waren die Zündung, der Anlasser und die Beleuchtung inkl. Blinker und Bremslicht. Allenfalls kam noch ein Autoradio dazu. Dabei hatte jede Funktion einen eigenen Schaltkreis, der die dazugehörigen Schalter, Leuchten und Geräte direkt miteinander verbunden hat (sogenannte diskrete Schaltung). Das Ganze wurde von der 12V-Batterie mit elektrischer Energie versorgt.
Die steigenden Anforderung an die Fahrzeugelektronik konnten nicht mehr über einfache Schaltkreise umgesetzt werden. Erst mit elektronischen Steuergeräten konnte man komplexere Ausstattungsmerkmale wie eine elektronische Motorsteuerung, digitale Armaturen oder fahrerabhängige Sitzeinstellungen realisieren. Diese kleinen Computer basieren auf Microcontrollern bis hin zu Mehrkern-Prozessoren und sie sind über Software programmierbar. Sensoren, Bedienelemente und Aktoren sind nicht mehr diskret untereinander verbunden, sondern hängen an einem gemeinsamen Steuergerät. Dieses wertet die Signale aus, ermittelt die auszuführende Aktion, und steuert dann anschließend die betroffenen Aktoren an (EVA-Prinzip: Eingabe–Verarbeitung–Ausgabe).
Mithilfe von sogenannten Bus-Verbindungen werden heutzutage die Steuergeräte untereinander vernetzt. Das bekannteste Bus-System ist der CAN-Bus (Controller-Area-Network), der von der Firma Bosch entwickelt wurde. Über ein Leitungssystem, welches sich durch das gesamte Fahrzeug zieht, werden die Steuergeräte mit einer seriellen Schnittstelle angeschlossen. Die Software eines Controllers kann nun zusätzlich die Sensoren eines anderen Steuergeräts auswerten oder Aktionen anstoßen. Der Controller für die Türverriegelung kann zum Beispiel die Fenster schließen, die Hupe kann einen kurzen Ton abgeben, wenn beim Verlassen das Licht noch brennt, die digitale Armaturenanzeige kann Informationen und Warnungen anhand der Zustände sämtlicher Systeme anzeigen. Weil sich alle Geräte die gleichen Busleitungen teilen, kann es zu Signalkollisionen kommen. Um kritische Anwendungen zu priorisieren, werden die Signale verschiedenen Kategorien zugeordnet.

Die aktuellen Tesla-Modelle haben wie viele andere Fahrzeuge auch inzwischen einen Ethernet-basierten CAN-Bus mit sechs Kategorien (100MBit, 6-port Switch). Jeder Tesla hat mehr als 60 einzelne Steuergeräte - von der Motor-Steuerung über die Media Control Unit (MCU) bis zum Reifendruck-Kontrollsystem. Nur durch diese umfangreiche Digitalisierung ist es möglich, sämtliche Funktionen des Fahrzeugs zentral über ein Display anzusteuern und mittels Software-Updates immer wieder neue Kombinationen von Funktionen bereitzustellen.

So integriert sich der Frunklift von AMPTech in das Tesla Model S Facelift

Das Frunklift-System der Firma AMPTech macht sich die offene Architektur der Tesla-Verkabelung zunutze. Teil des Lieferumfangs sind nicht nur die erforderlichen Bauteile, sondern auch ein eigenes Steuergerät sowie der dazu gehörende Zusatzkabelbaum.

  • Das Steuergerät besitzt ein verschweißtes Kunststoffgehäuse mit einen mehrpoligen abdichtenden Stecker zum Anschluss des Kabelbaums
  • Die beiden Gasdruckfedern von Tesla werden ersetzt durch zwei elektrisch betriebene Hebemotoren.
  • Ein akustischer Signalgeber kündigt zur Sicherheit das Heben und Absenken der Frunkhaube an.
  • Ein zusätzlicher Stellmotor betätigt die Entriegelung des Frunkschlosses mit einem Seilzug, damit die Haube geöffnet werden kann. Am Frunkschloss wird die Rückzugsfeder der Verriegelung durch eine schmalere Variante ersetzt. Für den Notfall gibt es einen Seilzug, über den man die Entriegelung manuell betätigen kann.
  • Der Zusatzkabelbaum verbindet die Komponenten mit dem Steuergerät. Über eine dedizierte Leitung zur 12V-Batterie wird die Spannungsversorgung für die Schaltung sichergestellt und mit einer Schmelzsicherung abgesichert.

Durch den Einbau des AMPTech-Systems werden keine Original-Bauteile von Tesla irreversibel verändert. Das System ist vollständig wieder rückbaubar. Um sich dennoch an die betroffenen Komponenten anbinden zu können, nutzt AMPTech sogenannte Y-Stecker. Dabei werden die bestehenden Steckverbindungen bestimmter Geräte getrennt, über den Zusatzkabelbaum zum AMPTech Steuergerät geführt und durch dessen Schaltung wieder miteinander verbunden. Das Steuergerät kann somit die Signale der Sensoren abgreifen und gleichzeitig an das Originalgerät weitergeben:

  • Der Sensor am Frunkschloss, der den aktuellen Zustand des Schlosses ermittelt
  • Der Taster zum Öffnen der Haube aus dem Inneren des Frunk
  • Die Ansteuerung des Original-Frunkschlossantriebs zum Öffnen der Haube. Hier erkennt das Steuergerät auch das Signal zum Öffnen unabhängig, ob man das Kommando über den Keyfob, die App, das Center Display oder den Frunk-Taster gegeben hat.

Da das Steuergerät alle notwendigen Signale und Kommandos über die Y-Stecker senden und empfangen kann, ist beim Model S keine Anbindung an den CAN-Bus erforderlich. Das erhöht die Sicherheit insofern, dass es nicht zu unerwünschten Interaktionen zu anderen Steuergeräten kommen kann. In den Medien wurde in der vergangenen Zeit berichtet, dass Frunklift-Systeme anderer Hersteller auf den Markt gebracht wurden, die offenbar fehleranfällig sind, was in Einzelfällen zum Öffnen der Haube während der Fahrt geführt hat. Die Analyse hat ergeben, dass es unter anderem zu einem Feuchtigkeitseinbruch in das Steuergerät gekommen ist. Die Firma AMPTech entwickelt und testet sämtliche Komponenten nach strengsten Maßgaben des Deutschen Instituts für Normung (DIN) und gewährt eine Garantie von 4 Jahren bzw. 80.000km auf die eigenen Produkte.
Es bleibt anzumerken, dass die Gewährleistung von Tesla selbst eingeschränkt werden kann bezogen auf Bauteile, deren Funktion durch den Einbau verändert wird (Druckfedern, Frunkschloss).

Der Einbau bei der Firma Stegmann

Der Einbau des Kits kann von geübten Handwerkern durchaus selbst vorgenommen werden. Für die professionelle Montage empfiehlt AMP-Tech den Einbau durch eine Werkstatt, wie z.B. die Fa. Stegmann GmbH aus Bad Dürrheim. Stegmann ist nicht nur Partner von AMPTech, sondern auch zertifizierter Tesla Body Shop. Somit ist das erforderliche Know How vorhanden und die sachgerechte Montage sichergestellt.

Mein Umbau wurde ebenfalls bei Stegmann durchgeführt. Die Betreuung vor Ort bis zur Übergabe und Erklärung der neuen Funktion war vorbildlich. Im Gespräch mit dem Experten Dennis Bolz wurden sämtlichen Schritte erläutert und insbesondere erklärt, wie der Bausatz sich in die Fahrzeugelektronik integriert, ohne dabei die Komponenten des Fahrzeugs zu verändern. Bei der anschließenden Übergabe wurden sämtliche Ersatzteile, die Original-Verpackung des Herstellers sowie die umfangreiche Dokumentation ausgehändigt. Der Frunklift funktioniert bei unserem Model S seit dem ohne Einschränkung und ich kann den Bausatz als auch die Firma Stegmann empfehlen.

Die Vision von Tesla: Der ultimative Kabelbaum

Als Autofahrer wird man sich mit dem Kabelbaum des eigenen Fahrzeugs wohl kaum beschäftigen. Für den Hersteller ist es allerdings eines von mehreren Schlüsselthemen:

Die einzelnen Drähte, die im Kabelbaum zusammengebunden werden müssen, bilden bei aktuellen Fahrzeugen eine beachtliche Menge. Die Kabel des Tesla Model S haben eine Gesamtlänge von etwa 3km. Beim Model 3 sind es immerhin noch 1,5km. Das schlägt sich nieder im Gewicht als auch in den Materialkosten.
Durch das Zusammenbinden der Drähte zu einem Baum entsteht ein komplexes fragiles Bauteil, welches nicht von Robotern verarbeitet werden kann. Die manuelle Verlegung sorgt bei der Fahrzeugproduktion für einen erheblichen Aufwand und kostet Zeit.

Tesla möchte die beiden Probleme bei zukünftigen Fahrzeuggenerationen mit einer neuen Lösung revolutionieren. In einem Patent von 2019 (US20190217794) wird dazu eine neue Verkabelungsarchitektur gezeigt, bei der große Teile des Kabelbaums in einer Art Backbone und angegliederten Subsystemen formiert werden. In Diesen werden eher Leiterbahnen statt Drähte in feste Strukturelemente gegossen. Sie schmiegen sich in die Fahrzeugkarosserie und können von Robotern automatisch montiert werden. Die restlichen zum Baum gebundenen Drähte binden lediglich noch einzelne Sensoren und Aktoren an und sollen die Gesamtlänge an Kabeln auf ca. 100 Meter reduzieren. Steuergeräte sollen zu zentralen Controllern für eine ganze Baugruppe wie eine Tür zusammengefasst werden, die dann vorgefertigt werden können.

Quelle: Tesla

Um den Rollout des Tesla Model Y nicht zeitlich zu behindern, wurde entschieden, dieses Verfahren erst später bei der Produktion der neuesten Modelle anzuwenden. Im Rahmen der fortlaufenden Modellpflege ist damit zu rechnen, dass das Prinzip dennoch bald zum Einsatz kommt. Dadurch werden die Produktionszeit und -Kosten weiter gesenkt, was Tesla üblicherweise als Einsparung an die Käufer weiter gibt.

Quellen

Wikipedia "Steuergeräte"
Wikipedia "CAN Bus"
teslatap.com Processors Analysis and Count
Stegmann GmbH
Patent US20190217794: Wiring System Architecture

Anmerkung: Der Artikel ist unabhängig entstanden. Die Fa. Stegmann wurde regulär beauftragt und ich wurde nicht für diesen Artikel bezahlt.


Das T&Emagazin

Der Artikel ist erschienen in der Ausgabe 10 (April 2021) des T&Emagazins.
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