Im letzten Beitrag habe ich darüber geschrieben, über welchen Weg ich zu einem Elektroauto gekommen bin: Begeisterung für neue Technik, der Schock durch den Diesel-Skandal verbunden mit der Gelegenheit ein neues Auto kaufen zu müssen. Die kurze Probefahrt mit einem Tesla Model S 75D im Tesla Store in Frankfurt hat gereicht, um mich für diesen Wagen anzuzünden. O-Ton: "Ich glaube ich habe feuchte Finger"
Für die Kaufentscheidung hatte es gereicht. Aber ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, was es eigentlich für den Alltag eines Autofahrers bedeutet.
Vorurteile gegen die Elektromobilität
Wenn man sich über Elektroautos informiert, findet man sie sehr schnell: Vorurteile! Woher sie auch immer kommen, sie nehmen dem Interessenten schnell die Freude am Thema und halten viele Menschen davon ab, sich ernsthaft mit der alternativen Antriebsart zu beschäftigen.
Vorurteile entstehen - wie so oft - im Umfeld von halbwissenden Besserwissern, eingebracht von den Vertretern der Vergangenheit und verteilt von aufmerksamkeitsgesteuerten Medien mit geringer Investigationsbereitschaft.
Hier ein paar Beispiele:
- Elektroautos haben keine ausreichende Reichweite. Sie eignen sich allenfalls als kleine Stadtfahrzeuge, aber nicht für den Alltag von Berufspendlern.
- Die Dauer des Ladevorgangs bei Elektroautos ist inakzeptabel. Das stundenlange Warten stört dabei den normalen Tagesablauf.
- Elektroautos müssen sich langsam und sparsam fortbewegen und bieten keinen Fahrspaß. Zum sportlichen Fahren gehört der Sound und die Leistung eines Verbrennungsmotors.
Bevor ich meine eigenen Erfahrungen mit einem Elektroauto gemacht hatte, habe ich mich mit den gleichen Gedanken beschäftigt und ich war auf das Schlimmste eingestellt. Inzwischen als "Selbsterleber" kann ich sagen: Diese Themen finden in meiner Realität überhaupt nicht statt - deshalb finden sie auch in diesem Blog nicht statt. Viel mehr mache ich ganz andere Erfahrungen, über die in der Gesellschaft nicht gesprochen wird.
Elektroautofahren ist wie Segeln
Ein Auto mit Verbrennungsmotor wirkt auf mich wie eine Arbeitsmaschine. Die Geräuschkulisse, der Geruch, der Lastwechsel beim Schalten und Beschleunigen (auch mit Automatik), das Spiel d Zahnräder und Wellen im Antriebsstrang, wenn man vom Gas geht - all das vermittelt mir ein Gefühl von Anstrengung und harter Arbeit. Und ich fühlte mich selbst als Teil dieser Maschine, der "mitarbeiten" muss, um die Maschine am laufen zu halten. Verbrennerfahren = Arbeit.
Quelle: Modern Times, Charlie Chaplin (links); www.stefan-schuetz-coaching.de (rechts)
Das Fahren mit einem Elektroauto vergleiche ich für mich eher mit der Fahrt mit einem Segelboot. Ich bin eher der "Konsument einer Bewegung", höre das Zischen des Winds, kann entspannen, während ich mitgenommen werde. Ich stehe vielleicht im selben Stau, wie die Verbrenner-Fahrzeuge. Aber meine Seele baumelt relaxed, während meine Autonachbarn in ihren stinkenden Kisten "arbeiten müssen". Warum hat mir das keiner vorher gesagt? Warum wird in den Medien darüber nichts geschrieben?
Laden ist anders als Tanken
Nach den ersten Wochen habe ich gelernt, dass das Laden nichts mit dem bisherigen Tanken zu tun hat. Ich lade größtenteils zuhause an der Steckdose, unterwegs beim Einkaufen oder bei jeder Gelegenheit, wenn das Auto sowieso steht. Dieser Vorgang nimmt in meinem Alltag so gut wie keinen Raum ein. Die Momente des Anstöpselns nehme ich nicht mehr wahr. Habe längst vergessen wie es ist, eine normale Alltagsfahrt zu unterbrechen, um Tanken-zu-fahren.
Ja - bei Langstrecken muss ich für einzelne Stops etwas Zeit mit einplanen. Wer bei einer 500km-Reise keine 30 Minuten Zeit zum Laden hat, der wird mit dem E-Auto nicht glücklich - beim Hetzen mit einem Verbrenner über die Autobahn übrigens auch nicht. Ich habe zum Ausgleich bei den Ladestops so viele Gleichgesinnte kennen gelernt, entspannende Pausen gehabt, dass ich mit dem Prozess des Zwischenladens keine negativen Gedanken verbinde. Es ist mir völlig bewusst, dass das nicht für Jeden so sein muss.
Elektromobilität verändert unsere Gesellschaft
Der Umstieg auf batteriebetriebene E-Autos beinhaltet nicht nur das Nutzen einer neuen Antriebstechnologie. Im Zuge der Digitalisierung erfolgt der Schritt Hand in Hand mit der Energiewende und der Neusortierung von Geschäftsmodellen. Der geschlossene Kreis von Autoherstellern, Händlern, Tankstellen und Ölkonzernen wird aufgebrochen und neu sortiert.
Für den Autofahrer ändern sich einige Themen:
- Das Fahrzeug wird nicht mehr beim Händler gekauft, sondern im Internet. Zusatzfunktionen und Extras können per Software-Update auch nachträglich dazu gebucht werden. Die erforderliche Hardware ist schon eingebaut.
- Elektroautos sind von Haus aus wartungsarm und energieeffizient. Während Anschaffungspreise noch höher sein können, werden laufende Kosten für Inspektionen, technische Reparaturen sowie den Energieverbrauch viel niedriger sein im Vergleich zum Verbrenner.
- Obwohl bei mir der Fahrspaß und die Technologie im Vordergrund standen, erkenne ich bei mir selbst ein neues Bewusstsein im Umgang mit Energie. Früher sind die Liter an Brennstoff einfach so durchgeflossen sind und wurden eben nachgetankt. Als Ingenieur erkenne ich heute, wie viel Aufwand es macht, eine Kilowattstunde Strom zu erzeugen, zu speichern und im Auto mitzuführen. Dadurch habe ich einen ganz neuen Blick dafür, wie kostbar diese Energiemenge ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mich das Thema fesselt. Ich habe die Freude am Autofahren neu entdeckt und hoffe, dass der eine oder andere Artikel hier im Blog auch für mitlesende Menschen eine Gelegenheit bringt, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Ausblick
Dem Grundprinzip meines Blogs werde ich treu bleiben: Es geht nicht um Verkaufen, Politisierung oder Meinungsmache, sondern ich berichte auch zukünftig über meine Selbstbauprojekte und Erfahrungen. Nur kommt jetzt eben noch das Thema Elektromobilität dazu. Das eine oder andere Projekt habe ich schon im Kopf und die Leser dürfen gespannt sein.
Desweiteren habe ich mir vorgenommen, mich zukünftig bei Vorträgen und Treffen für E-Mobilisten sowie in einzelnen sozialen Medien zu engagieren. Mein Ziel ist es, die Fragen der Menschen aus der eigenen Erfahrung heraus zu beantworten - unverstellt und sachlich wie ein Ingenieur es tut. Und manchmal wird es dann auch einen Blog-Beitrag geben, in dem ich solche Erlebnisse teile.
Wer sich die Beiträge zum Thema herausfiltern will, der es kann übrigens im Kopf der Seite als Kategorie auswählen.