Gleichstrom oder Wechselstrom?

07.06.2021

Möglicherweise wird 2021 als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem sich die Elektromobilität unumkehrbar durchsetzt. Es sind nicht mehr nur die weltverbessernden Enthusiasten und technikverliebten Early Adopter, sondern rationale Autofahrer, die sich für ein batterieelektrisches Fahrzeug entscheiden. Das Fahrzeugangebot nimmt kontinuierlich zu und die staatliche Neuwagenförderung leistet einen entscheidenden Beitrag bei der Verbreitung. Unentschlossene überzeugen sich bei der ersten Probefahrt vom neuen Fahrgefühl, egal wie stark sie an den guten Einfluss auf die Umwelt glauben. Themen wie Reichweitenangst oder die Sehnsucht nach Motoren-Sound und dem Lastwechselverhalten beim Schalten lösen sich zügig auf. Aber ein Aspekt beschäftigt viele Elektroautofahrer auch nach der Umgewöhnung: Während die Meisten ein klare Vorstellung davon haben, was ein Liter Diesel ist, bleibt der Umgang mit elektrischer Energie ein Mysterium. Eine Frage wird in diesem Zusammenhang besonders oft gestellt: Warum spricht man manchmal von Wechselstrom und von Gleichstrom und was macht das beim Elektroauto für einen Unterschied?

Unterschied Gleichstrom vs. Wechselstrom

Man spricht von einem Stromfluss, wenn elektrische Ladungsträger sich durch ein elektrisch leitfähiges Medium bewegen, getrieben durch eine sogenannte elektrische Spannung. Dabei fließen sie nach der Definition der technischen Stromrichtung vom Pluspol einer Spannungsquelle zum Minuspol. Wenn sich die Flussrichtung der elektrischen Teilchen über die Zeit nicht verändert, dann spricht man von Gleichstrom (englisch: Direct Current = DC). Bekannte Beispiele sind Batterien, Photovoltaik-Anlagen oder andere Stromquellen, die jeweils einen festen Minus- und Pluspol haben. Obwohl sich Gleichstrom auch für höhere Leistungen und die Übertragung über lange Strecken eignet, wird er heutzutage meistens im Schwachstrombereich in kleinen Geräten eingesetzt. Bei Wechselstrom (englisch: Alternating Current = AC) hingegen ändert sich die Polung der Spannungsquelle und damit die Richtung des Stromflusses in einem festen Zeittakt. Übliche Wechselstromquellen sind zum Beispiel Generatoren in Kraftwerken und Windrädern. Durch deren Drehzahl wird indirekt die Frequenz der Richtungsänderung des Stromflusses bestimmt (50Hz). Die Bauart der Generatoren bewirkt dabei die Verteilung der erzeugten elektrischen Energie auf drei Phasen. Drei-Phasen-Wechselstrom wird vor allem für die flächige Stromversorgung eingesetzt, weil man die Höchstspannungen aus dem Fernübertragungsnetz (bis 220kV / 380kV) mittels verlustarmen Transformatoren auf die geringeren Verbrauchsspannungen unserer Hausversorgung umspannen kann (Niederspannung: 220V / 380V).

Gleichstrom und Wechselstrom im Batterie-elektrischen Auto

Beide Formen der Stromversorgung haben offenbar ihre Berechtigung. Und obwohl die Umwandlung von Gleichstrom zu Wechselstrom (und umgekehrt) aufwändig ist, werden sie beide für den Betrieb eines Elektrofahrzeugs benötigt.

  • Das Stromnetz, welches die Energie zum Laden des Fahrzeugs anliefert, versorgt die Ladesäule mit Drei-Phasen-Wechselstrom (400V bis 1000V).
  • Der Akku im E-Mobil besteht aus einer Zusammenschaltung von einzelnen Lithiumionen-Zellen, die wie jede Batterie eine Gleichstromquelle darstellen. Jede Lithiumionen-Zelle liefert dabei eine Spannung von i.d.R. 4V je nach Füllstand. Durch die Reihenschaltung der Zellen ergeben sich je nach Fahrzeugtyp eine Gesamtspannung des Akkus von 400V oder 800V Gleichspannung.
  • Der Antriebsmotor wiederum benötigt wieder Drei-Phasen-Wechselstrom. Wechselstrommotoren können besonders effizient und verschleißarm betrieben werden und entwickeln trotz kleinem Bauraum einen großen Drehmoment und den berühmten Punch beim Anfahren, für den Elektroautos so bekannt sind.

Um zu verstehen, wie und wann die Stromformen beim Auto zum Einsatz kommen, werden die wesentlichen Anwendungsfälle beschrieben: Das Laden und das Fahren.

Von der Säule zum Auto: Was passiert beim Laden?

Damit beim Laden der Drei-Phasen-Wechselstrom aus dem Versorgungsnetz vom Gleichstromakku des Fahrzeugs aufgenommen werden kann, muss er in Gleichstrom umgewandelt werden. das erfordert einen sogenannten Gleichrichter. Und je nach dem wo dieser Gleichrichter verbaut ist, unterscheidet man zwei Arten des Ladens: Wechselstrom-Laden und Gleichstrom-Laden.

Beim Wechselstromladen (AC) kommt eine einfache Ladesäule, ein Wand-Ladegerät (Wall Charger) oder ein mobiles Ladegerät (Mobile Charger, Juice Booster) zum Einsatz, welches den Wechselstrom aus dem Netz unverändert an das Auto weitergibt. Die Ladeleistung ist i.d.R. auf 11kW bzw. 22kW beschränkt. Die einzige Aufgabe der Ladestation ist die Sicherstellung vorgeschriebener Schutzfunktionen und ggf. die Lastverteilung beim Einsatz mehrerer Geräte an einem Anschluss. Der eigentliche Gleichrichter sitzt aber im Fahrzeug und ist in seiner Leistung begrenzt, um Raum, Gewicht und Kosten zu sparen. Der Wandler in den Tesla Model 3/Y kann z.B. eine Ladeleistung von 3,7kW (Schuko-Steckdose) bis 11KW (dreiphasen-Wechselstrom) in Gleichstrom umwandeln, die Model S/X bis zu 16,6kW bzw. ältere Modelle bis 22kW. Man nutzt das akkuschonende AC-Laden im Alltagsbetrieb und zuhause. Öffentliche AC-Ladesäulen benötigen oft ein mitgebrachtes AC-Ladekabel mit Stecker Typ 2.

Gleichstrom-Ladesäulen (DC) haben einen eingebauten Hochleistungsgleichrichter und liefern wenigstens 50kW, eher 150kW (Supercharger V2), 250kW (Supercharger V3) oder bis zu 350kW (Ionity) Gleichstrom. Dieser fließt direkt in den Akku des Fahrzeugs und ermöglich deshalb eine Schnellladung speziell für Langstreckenfahrten. Der eingebaute begrenzte Gleichrichter im Fahrzeug wird dabei vollständig umgangen. Die DC-Säulen sind entsprechend aufwändig und teuer, was mit ein Grund ist für höhere Strompreise beim Schnellladen. Die Gleichstromladesäulen haben meistens aktiv gekühlte Anschlusskabel, weshalb diese oft fest an der Säule angebunden sind und nur noch ins Fahrzeug gesteckt werden müssen. Bei den meisten Gleichstromladesäulen sitzt der Gleichrichter übrigens in der Säule selbst. Deshalb sind diese oft sehr groß und sie geben im Betrieb hörbare Lüftergeräusche ab. Die Tesla Supercharger haben eine eher schlanke Bauform, weil der eigentliche Gleichrichter etwas abseits in einem Extrakasten steht. Dabei teilen sich zwei Säulen (V2) bzw. vier Säulen (V3) einen Gleichrichter. Die zusammengehörigen Gruppen erkennt man an den Nummern am Fuß der Säule (1a, 1b, ...).

Vom Akku zum Motor: Was passiert beim Fahren?

Der Akku eines Elektrofahrzeugs ist heutzutage ein hochentwickeltes Bauteil, welches in der Lage ist, elektrische Energie in einer relativ hohen Dichte über einen langen Zeitraum zu speichern und im Bedarfsfall sprunghaft große Mengen davon abzugeben, z.B. beim Beschleunigen des Fahrzeugs. Leider handelt es sich aber zunächst um Gleichstrom, mit dem der Motor nichts anfangen kann. Deshalb gibt es im Fahrzeug einen weiteren Umwandler, der aus dem Gleichstrom des Akkus einen Wechselstrom erzeugt.

Im Gegensatz zu normalen Wechselrichtern, die man vielleicht im Zusammenhang mit Photovoltaik-Anlagen kennt, wird vom Motor des Wagens aber keine gewöhnliche 50Hz Wechselspannung benötigt. Vielmehr kann die sogenannte Leistungselektronik des Elektromotors einen spontan anspringenden Hochleistungswechselstrom mit variabler Spannung und Frequenz generieren. Dabei bestimmt die Spannung indirekt die Leistung des Motors und die Frequenz die Drehzahl an der Ausgangswelle. Man kann sagen, dass die Leistungselektronik das eigentliche Herz des Elektroautos ist, vergleichbar mit der Bedeutung des Motors in einem Verbrennerfahrzeug. Die Definition und Umsetzung von dazugehörigen Kennlinien übernimmt eine komplexe Software-Steuerung, die erkennt, wieweit das Strompedal gedrückt wird. Aber bei der Versorgung des Motors werden weitere Parameter wie die Akkutemperator und der Füllstand berücksichtig. Um das Fahrzeug zu schonen, werden die Leistungsdaten kontinuierlich überwacht und nachgeregelt. So wird einer Überlastung oder der vorzeitigen Alterung des Akkus, der Kabel oder der Elektronik vorgebeugt.
Wenn das Fahrzeug die Geschwindigkeit verzögert, setzt die sogenannte Rekuperation ein. Dabei wird der Motor "rückwärts" betrieben und er erzeugt aus dem Schwung des Fahrens einen eigenen Wechselstrom. Dieser wird von der Leistungselektronik aufgenommen und in einen Gleichstrom umgewandelt, der wieder direkt in den Akku zurück gespeichert werden kann. Elektroautos sparen dadurch bis zu 25% der verbrauchten Energie wieder ein. Das ist neben der Effizienz der Motoren einer der Kerngründe, warum Elektroautos in Sachen Energiebilanz einen aus heutiger Sicht uneinholbaren Vorsprung gegenüber allen anderen Energieträgern haben.

Was bedeutet das Thema Wechselspannung bzw. Gleichspannung nun für den Fahrer?

Der Fahrer eines Elektroautos muss sich während der Fahrt nicht um Gleichstrom oder Wechselstrom kümmern und er darf sich voll auf den Verkehr und den Fahrgenuss konzentrieren. Lediglich beim Laden sollte man sich der Unterschiede von AC vs. DC bewusst sein:

  1. Der Akku ist die größte und teuerste Baugruppe im Elektroauto. Er wiegt bis zu 700kg, besteht aus bis zu 8256 einzelnen Lithium-Ionen-Zellen (Model S 100kWh) und ist konzipiert für das Erbringen von Höchstleistungen beim Beschleunigen sowie beim Schnellladen. Bei guter Pflege kann der Akku viele hunderttausend Kilometer überstehen. Da beim Laden der Strom immer gleichgerichtet wird, bevor er in den Akku fließt, ist die ursprüngliche Stromform für den Akku unrelevant. Er bemerkt nicht, ob die Umwandlung in einer DC-Ladesäule stattgefunden hat, oder im eingebauten Wandler, der von einer AC-Ladestation versorgt wurde. Lediglich die Ladeleistung macht einen Unterschied. Ständiges Schnellladen, wie es an einer DC-Säule ermöglicht wird, beschleunigt den andauernden Alterungsprozess des Akkus. Aus diesem Grund sollte man diese Lademöglichkeit nur bei Bedarf im Langstreckenverkehr nutzen. Langsamladen, wie es an einem AC-Wandladegerät angeboten wird, schont dahingegen den Akku. Somit eignet sich diese Option sehr gut für das alltägliche Nachladen über Nacht zu Hause, beim Einkaufen oder bei der Arbeitsstelle.
    Bei manchen Fahrzeugen begrenzt Tesla die maximale Leistung beim DC-Laden vorübergehend oder dauerhaft, wenn durch häufiges Schnellladen die Alterung der Akkuzellen zu früh einzusetzen droht. Dieses Verhalten wird von den Tesla-Fahrern durchaus auch kritisch gesehen und wurde von Tesla per Software-Update teilweise wieder zurückgenommen.
  2. Aufgrund der höheren Anschlusskosten an das Stromnetz und der deutlich aufwändigeren Bauweise der DC-Ladesäulen mit einem Hochleistungsgleichrichter ergeben sich beim Schnellladen i.d.R. deutlich höhere Stromkosten. Bislang ist dieser Markt weder transparent noch ausbalanciert. Als Fahrer sollte man sich bei fremden DC-Ladesäulen rechtzeitig über die Preise informieren, um böse Überraschungen und Kostenfallen zu vermeiden.
  3. AC-Ladesäulen bieten oft preisgünstige Ladetarife an und sind mancherorts sogar kostenlos, weil die Stadt, ein Supermarkt oder ein Autohändler den Menschen vor Ort eine alternative Lademöglichkeit anbieten will. Die öffentlichen AC-Stromtankstellen sind aber nicht gedacht für Dauernutzer, die für Ihr Elektroauto nur einen günstigen Parkplatz suchen, den Platz nach dem Laden nicht freiräumen oder sogar gar nicht laden. Ein gemeinsames Grundverständnis der Thematik und eine gewisse gegenseitige Rücksichtnahme sollten für Elektroautofahrer selbstverständlich sein.

Das T&Emagazin

Der Artikel ist erschienen in der Ausgabe 11 (Juli 2021) des T&Emagazins.
(Online Lesen)

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